05.04.2009: Mentaltraining im Pétanque – was soll denn das?

Sonntagmorgen – Bouleturnier in den Rheinauen. „So ein Mist! Am Mittwoch beim Bouletreff habe ich noch alles getroffen und heute? Loch auf Loch und dann auch noch die Eigene.“  << Na ja, ist ja gerade noch mal gut gegangen, 13:11 – aber knapp war’s. Beim nächsten Mal nur nicht wieder nervös machen lassen.  — Ach du heilige ……. Jetzt auch noch gegen die ausgelost. Gegen die haben wir doch noch nie gewonnen. Und dann ist da wieder der Kugelstreichler dabei, der regt mich auf mit seiner Streichelei. Das wird was werden.>> „3 : 13 – Ich hab’s doch gesagt, gegen die haben wir noch nie gewonnen. Dabei sind wir eigentlich viel besser als die. Die sollten mal Mittwochs zu unserem Bouletreff kommen, da würden wir ihnen aber das Fell über die Ohren ziehen.“

<<Ausgeschieden. War ja auch klar, nach dem Auftakt. Einfach einen schlechten Tag erwischt und dann auch noch Pech mit der Auslosung. Und dann sitze ich auch noch mit dem Kugelstreichler am Tisch – das Pech nimmt heute aber auch gar kein Ende.>>
Und dann erzählt der Kugelstreichler etwas davon, wie er sich nach einem Training bei Rainer ein Ritual vor jedem Wurf angewöhnt hat. Sein Herzklopfen vor einem entscheidenden Wurf war früher so stark, dass er meinte, auf dem ganzen Platz müsste sein Herzschlag zu hören sein. Peinlich war das! Obwohl er ansonsten sehr sicher spielte, war es in diesen Momenten aus – warum hatte er sich für diesen Sport und diese Kugeln entscheiden müssen? Hätte er doch besser was anderes gemacht. Und dann sagte Rainer so etwas wie „Sei nett zu Deiner Kugel. Sag ihr: ‚Wir beide werden jetzt gewinnen!‘“ Das habe er dann einige Zeit geübt und sich dabei völlig auf die Kugel konzentriert. „Das Streicheln ist das Ritual, mit dem die Kugel und ich uns auf diesen entscheidenden Wurf konzentrieren“. Und es funktioniert, sagt er. << Na ja, das haben wir ja heute erlebt. Aber vielleicht war es auch nur, weil ich mich so über ihn aufgeregt habe. Klingt aber irgendwie interessant, was er so sagt.>>

Was haben diese beiden Ereignisse miteinander zu tun? Reiner Hatz hat die Hintergründe beim Mentaltraining für PétanquespielerInnen, einem Seminar der HPV, den Seminarteilnehmern sehr einleuchtend erklärt. „Unser Gehirn hat in allen diesen Fällen bestens funktioniert – so, wie wir es in der Evolution seit dem Neandertaler eintrainiert haben: Schnell und reflexartig. Unser Gehirn ist seit mehr als 100.000 Jahren auf ein einziges Ziel fixiert: Überleben!” Da gibt es keine Zeit, erst mal etwas auszudiskutieren, wenn der Säbelzahntiger vor unserem Neandertaler steht. Der letzte Gedanke würde nicht mal bis zu den Verdauungssäften des Untiers reichen. Kämpfen – Fliehen – Totstellen – Möglichkeit  1 und 3 bringen nichts, also rauf auf den Baum. Gerettet! Von hier oben sieht die Welt schon ganz anders aus. Und der Säbelzahntiger  sieht irgendwie komisch aus. Und was soll das große Loch in seinem Bauch? Ach was, der ist tot – und ich bin so gerannt. Aber sicher ist sicher. Und der Kugelstreichler ist anscheinend doch ein ganz gescheiter Mensch und richtig gut erklären kann er auch. Na ja, vielleicht sollte man sich auch mal erkundigen, über Mentaltraining und so  ….

Ein tolles Experiment: Man hält ein Kärtchen mit einem roten und einem blauen Punkt nebeneinander direkt vor die Augen. Man führt das Kärtchen so weit von den Augen weg, dass in der Mitte ein dritter Punkt erscheint – eine reine optische Täuschung. Aber was passiert? Bei Einigen ist der Punkt in der Mitte blau, bei anderen ist er rot und bei der dritten Gruppe ist er violett. Wie das? Und dann fordert Rainer uns auf, die Farbe des dritten Punktes zu wechseln, indem wir die gegenteilige Farbe laut benennen: Wer blau sieht, sagt „ROT“ und wer rot sieht sagt „BLAU“. Kaum zu glauben, es funktioniert! Der dritte Punkt in der Mitte wechselt die Farbe, zumindest vorübergehend, dann kehrt die „alte“ Farbe zurück. Was ist passiert?

Die Erklärung: Die blaue Farbe steht für eine Dominanz der linken Hirnhälfte, die rote Farbe für eine Dominanz der rechten. Der dritte Punkt entsteht durch eine Kommunikation zwischen beiden Hirnhälften. Die dominierende Seite des Gehirns bestimmt die Farbe. Nun kann man offensichtlich durch eine Selbstanweisung („Ich sehe ROT“) diese Kommunikation zwischen den beiden Hirnhälften beeinflussen. Und wenn wir das können, wie in diesem Experiment gezeigt, dann können wir sicher auch unser Gehirn bei anderen Gelegenheiten beeinflussen. Genau so ist es. Wenn wir wissen, wie unser Gehirn funktioniert, wie wir mit unserem „Schubladendenken“ (Karl-Heinz und Anja bei der Begrüßung am Morgen) reflexartig den Neandertaler in uns zum Zuge kommen lassen, dann haben wir die Chance, daran etwas zu ändern.

So verstehen wir plötzlich, warum unser Triplettepartner seine Technik nicht wirklich ändern will, obwohl der eingeknickte Arm beim Wurf immer wieder unsichere Würfe zur Folge hat. In unserem missionarischen Eifer verlangen wir von ihm, dass er seine „Komfortzone“ verlässt („Auf dem Baum hat mich noch nie ein Säbelzahntiger gefressen“) und sich in eine Lernzone begibt, die zumindest erst einmal unsicheres Gelände darstellt, von dem man nicht weiß, was herauskommt. Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor, aus dem Familienleben, aus dem Arbeitsleben und aus dem Verein: „Das war noch nie so. Das war schon immer so.“. Rainer erklärt sehr verständlich und nachvollziehbar, dass dahinter kein böser Wille steckt, sondern der Neandertaler in uns, der sich einfach davor scheut, die Komfortzone des Bekannten und vermeintlich Sicheren zu verlassen. Also reagieren wir wie unsere Vorfahren mit dem Neandertaler-Effekt: Ein aktuelles Erlebnis ist vergleichbar mit einem früheren Erlebnis – also verhalte Dich wie damals und du wirst überleben. Und so wird dann im entscheidenden Moment wieder mit eingeknicktem Arm geworfen, weil das ja früher meistens gut gegangen ist.

Erst durch Schmerz oder besser gesagt durch höchst unangenehme Ereignisse ist unser Gehirn bereit, Bedarf nach einer Veränderung des Verhaltens anzumelden. Solange die Eltern immer wieder das Spielzeug des Kindes am Abend wegräumen, wird sich auch mit noch so viel Ermahnungen daran nichts ändern. Warum sollte das Kind sein Verhalten änderen – es klappt doch auch so und diese allabendliche Nörgelei geht vorüber. D.h. unser Gehirn und seine über mehr als 100.000 Jahre währende Evolution hat Mechanismen entwickelt, die uns als Menschen über eine sehr lange Zeit erfolgreich haben überleben lassen. Erst seit ca. 100 – 150 Jahren ist ein Teil der Menschheit in der komfortablen Situation, über mehr als das reine Überleben nachdenken zu können. Darauf muss sich unser Gehirn erst einstellen. Auf die Evolution können wir innerhalb dieses kurzen Zeitraums nicht hoffen. Also müssen wir selbst etwas tun und der Mensch hat die Fähigkeit, selbst etwas zu tun: Für ein besseres, sprich konfliktärmeres und erfüllteres Leben und u.a. auch für ein besseres und erfolgreicheres Pétanque. Ein überaus interessantes Thema mit hohem Nutzwert, weit über unser Pétanquespiel hinaus. Da haben die vom HPV doch mal etwas richtig Interessantes angeboten – nur schade, dass es so wenige genutzt haben. Wer aber jetzt ahnt, dass an diesem Thema vielleicht doch etwas dran sein könnte, so wie beim Ritual unseres Kugelstreichlers, der / die sollte sich doch mal mit dem Gedanken vertraut machen, etwas mehr über sich selbst, sein Gehirn und das was es mit uns macht zu erfahren. Es lohnt sich.

Für das nächste Turnier werde ich jedenfalls den Kugelstreichler mal fragen, ob er mit mir Doublette spielt – ich glaube, da kann ich was lernen.

16.02.2009: Technische Information zur Homepage

Zum Geburtstag unserer Homepage ist diese gewachsen, bzw. wurde um ca. 50 px verbreitert. Wir haben jetzt eine effektive Breite von 1024px, da man davon ausgehen kann dass kaum noch jemand einen kleineren Monitor hat. Falls doch, dann sieht man unten einen Schiebebalken, durch den die komplette Seite erreichbar ist.

Die Kopfgrafik hat sich aus technischen Gründen etwas nach links verschoben. Je nach Einstellung auf Eurem PC kann es jetzt sein dass die Verlinkung der Landesverbände und das DPV-Logo innerhalb der Grafik noch an der alten Stelle stehen. Dieser "Fehler" kann durch Drücken der F5 Taste behoben werden. Danach solltet ihr wieder mit Klick auf einen Länderbutton zur entsprechenden Webseite gelangen.